Andreas Bieberstedt: Textstruktur – Textstrukturvariation – Textstrukturmuster. Lübecker mittelniederdeutsche Testamente des 14. und 15. Jahrhunderts
[= Schriften zur diachronen Sprachwissenschaft, hg. von Peter Ernst, Bd. 18]
ISBN 978-3-7069-0438-4
brosch., 112 S.
€ [A] 26,00 / € [D] 25,30
Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts treten im deutschsprachigen Raum schriftliche Testamente in Erscheinung, zunächst in lateinischer, ab dem 14. Jahrhundert auch in deutscher Sprache. Im ausgehenden Mittelalter erlangen solche letztwilligen Verfügungen eine zentrale Bedeutung insbesondere für die städtische Rechtspraxis und werden in großer Zahl ausgestellt. So sind allein für die Handelsstadt Lübeck aus den Zeitraum zwischen 1278 und 1500 mehrere Tausend Testamentsurkunden überliefert. Aufgrund ihrer Funktion als schriftliches Mittel sozialer Organisation können Testamente, zusammen mit Stadtbüchern, Protokollen, Registern, Burspraken sowie verschiedenen Urkundentextsorten, zum Kernbestand des städtischen Rechts- und Verwaltungsschrifttums gerechnet werden. Die Studie nimmt das spätmittelalterliche Testament unter textlinguistischer Perspektive in den Blick. Behandelt werden Strukturmuster und Strukturvarianzen mittelniederdeutscher Testamente, die anhand eines Korpus von 125 Lübecker Bürgertestamenten aus der zweiten Hälfte des 14. sowie der Mitte und dem Ende des 15. Jahrhunderts diskutiert werden. Der Fokus liegt auf der diachronen und funktionalen Variation Lübecker Testamente, die in den beobachteten drei Zeiträumen zur Ausprägung prototypischer Textmuster führt. Einen zweiten Schwerpunkt bildet das zentrale Strukturelement testamentarischer Verfügungen, der Artikelkatalog. Die Untersuchung weist nach, daß sich die Architektur Lübecker Testamente durch unterschiedliche Tendenzen auf den einzelnen Betrachtungsebenen auszeichnet. Sichtbar wird eine konstante Makrostruktur bei gleichzeitiger Variantenbildung auf den untergeordneten Textebenen. Als grundlegende Entwicklungstendenzen der historischen Textsorte Testament werden ihre steigende Komplexität, zunehmende Individualisierung und zugleich Konsolidierung und Formelhaftigkeit benannt.