Wolfgang Mieder:
„Märchen haben kurze Beine“. Moderne Märchenreminiszenzen in Literatur, Medien und Karikaturen
[= Kulturelle Motivstudien, Band 10]
2009, ISBN 978-3-7069-0579-4, 346 S., geb.
€-A 35,00 / €-D 34,00
Es handelt sich in diesem Buch um sogenannte „Schwundstufen“ des Märchens, worunter Märchenanspielungen oder Märchenreminiszenzen in der Form von Aphorismen, Sprüchen, Graffiti, Schlagzeilen, kurzen Prosatexten und Gedichten (635 Belege) sowie Karikaturen, Witzzeichnungen und Reklamen (140 Abbildungen) zu verstehen sind. Bekannte Märchen werden also auf ein Minimum reduziert, wobei ihr positives und optimistisches Weltbild in Frage gestellt wird. Im Prinzip handelt es sich um Antimärchen, die die Zaubermärchen im Kontrast zu der gebrechlichen Einrichtung der wirklichen Welt entromantisieren. Dennoch spielen die traditionellen Märchen mit ihrem Glauben an eine bessere und fairere Welt bei der Auseinandersetzung mit diesen kritischen Texten mit, und aus der Konfrontation von zuversichtlicher Tradition und fragwürdiger Innovation ergibt sich für moderne Leser die Hoffnung auf ein menschlicheres Dasein. Das Einführungskapitel über den „Sinn und Zweck der Märchen“ enthält Texte, die sich mit dem so interessanten Märchenphänomen in der Moderne auseinandersetzen. Bei den meisten weiteren Kapiteln handelt es sich um Reaktionen auf bekannte Märchen aus den ‚Kinder- und Hausmärchen‘ der Brüder Grimm, wobei „Aschenputtel“, „Die Bremer Stadtmusikanten“, „Dornröschen“, „Der Froschkönig“, „Hänsel und Gretel“, „Rotkäppchen“, „Rumpelstilzchen“ und „Schneewittchen“ mit besonders vielen Belegen vertreten sind. Auch zu den beiden Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ und „Die Prinzessin auf der Erbse“ von Hans Christian Andersen gibt es Kapitel. Aus ‚Tausendundeine Nacht‘ ist „Ali Baba und die vierzig Räuber“ vertreten, aber es gibt auch zwei Kapitel über die Formel „Sesam, öffne dich!“ und die formelhafte Verwendung von „Tausendundeine Nacht“. Hinzu kommt ein Kapitel über die „drei Wünsche“, die in so vielen Märchen auftreten, und etliche Belege, die Namen oder Motive aus verschiedenen Märchen zu einem „Märchenallerlei“ verbinden, bilden ein weiteres Kapitel. Schlieβlich ist alles in zwei Rahmenkapiteln zu der Einführungsformel „Es war einmal …“ und der Schluβformel „Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute“ eingebunden.
Wolfgang Mieder (1944) ist Professor für Germanistik und Volkskunde an der University of Vermont (USA). Von seinen vielen Buchveröffentlichungen sind zuletzt im Praesens Verlag in der Reihe „Kulturelle Motivstudien“ folgende fünf Bücher erschienen: „Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“: Die drei weisen Affen in Kunst, Literatur, Medien und Karikaturen (2005), „Cogito, ergo sum“ – Ich denke, also bin ich: Das Descartes-Zitat in Literatur, Medien und Karikaturen (2006), Hänsel und Gretel – Das Märchen in Kunst, Musik, Literatur, Medien und Karikaturen (2007), „Sein oder Nichtsein“ – Das Hamlet-Zitat in Literatur, Übersetzungen, Medien und Karikaturen (2008), „Geben Sie Zitatenfreiheit!“ Friedrich Schillers gestutzte Worte in Literatur, Medien und Karikaturen (2009).